Geistlicher Impuls zu Ostern

Eine alte jüdische Legende erzählt: Adam, der erste Mensch, wurde sterbenskrank. Da schickte er seinen Sohn Set und seine Frau Eva in die Gegend des Paradieses. Sie sollten dort das Öl der Barmherzigkeit für ihn holen, damit er damit gesalbt und dadurch geheilt werde.
Bild: Doris Hopf, dorishopf.de In: Pfarrbriefservice.de

Betend und weinend suchen sie nach dem Baum des Lebens und finden ihn nicht. Und es erscheint ihnen der Erzengel Michael, der ihnen sagt: Nie werdet ihr dieses Öl mehr finden. Denn Adam hat gesündigt, und darum muss er jetzt sterben.

Liebe Kolpingschwestern und -brüder, in dieser Legende wird sichtbar, wie jeder von uns darunter leidet, dass er sterben muss. Irgendwo, so haben die Menschen immer wieder gedacht, muss es doch ein Kraut gegen den Tod geben. Irgendwann muss die Medizin doch eine Mittel finden, das uns nicht mehr älter werden lässt und das uns vor dem Tod bewahrt.
Ein solches Mittel aber wird sich nie finden lassen. Und es wäre sicher auch nicht gut, wenn die Menschen hunderte und tausende von Jahren leben würden auf dieser Erde. Sie würde hoffnungslos überaltern. Kinder und Jugendliche gäbe es kaum mehr unter ihnen, neues Leben und neuen Schwung wären kaum mehr zu finden. Ein endloses Leben in dieser Welt würde langweilig und schließlich zur Qual.

Das wirkliche Kraut gegen den Tod also müsste anders sein. Es müsste unser Leben von innen her umgestalten, so dass es immer wieder neu beginnen und erst richtig schön beginnen würde.

Zu Recht haben die frühen Christen deshalb noch etwas an die Legende vom sterbenden Adam angefügt. Demnach sagte der Engel zu Eva und ihrem Sohn: Jetzt sucht ihr vergeblich nach dem Öl des Lebens. Aber in mehr als 5000 Jahren wird Gott seinen Sohn auf diese Erde schicken. Der wird in die Unterwelt steigen und Adam heraufführen zum Baum der Barmherzigkeit, und er wird alle mit dem Öl der Unsterblichkeit salben und neues Leben schenken, die an ihn glauben und die ihm folgen.

Liebe Kolpingschwestern und -brüder, ja, das Kraut gegen den Tod, das Kraut er Unsterblichkeit gibt es also wirklich. Dieses Kraut verlängert unser Leben in dieser Welt zwar nicht endlos und ziellos. Aber es führt uns durch den Tod des Leibes zu einem neuen Leben, in dem wir nicht mehr alt werden und sterben. In der Taufe empfangen auch wir das Mittel, das alle die für immer glücklich macht, die dem Herrn nachfolgen in ihrem Leben.

Deshalb erneuern wir an Ostern wieder unser Taufversprechen. Deshalb dürfen zuversichtlich sein: Wir suchen nicht mehr vergeblich nach dem Kraut des Lebens wie einst Eva. Wir müssen auch nicht mehr tausende von Jahren warten. Durch seinen Tod am Kreuz und seine Auferstehung hat der Sohn Gottes auch uns das Tor zum ewigen Leben geöffnet. "Christus ist auferstanden!", ruft uns der selige Adolph Kolping zu. "Seine Auferstehung ist eine neue Sonne an einem neuen Himmel in  einer neuen Welt zu einem neuen Leben; denn siehe, er will alles neu machen" (KS 9, 264).

Frohe und gesegnete Ostern!

Msgr. Dr. Stefan Killermann
Diözesanpräses

31.03.2024