Qualität des Lebens
Impuls von Diözseanpräses Msgr. Dr. Stefan Killermann
In einer alten Geschichte wird uns erzählt: Es waren einmal zwei Brüder, die genau das gleiche Essen bekamen. Nur hatte der eine zwei Schalen, während der andere bloß eine besaß. Der Bruder mit den zwei Schalen teilte sein Essen in süßes und bitteres. Er legte das Bittere in die eine Schüssel und das Süße in die andere und aß nur das, was ihm schmeckte. Bei dem Bruder mit der einen Schale vermischte sich Süßes und Bitteres miteinander. Er musste alles so essen, wie er es erhalten hatte.
Mit der Zeit aber wurde der erste Bruder immer dünner und schwächer, während der zweite täglich gesünder wurde. Schließlich sah der erste seinen Tod kommen und fragte den anderen verzweifelt, was den das Geheimnis seiner Gesundheit und Stärke und Vitalität sei.
„Du hast zwei Schalen,“ sagte dieser, „und hast dich so beim Essen nach deinen geschmacklichen Vorlieben gerichtet. Du hast dem Essen nicht erlaubt, dich zu ernähren, wie es gewollt hätte. Ich aber wurde nicht von meinen Geschmacksnerven an der Nase herumgeführt. Was immer mir gegeben wurde, das habe ich einfach angenommen und es hat nie aufgehört, mich gesund zu erhalten. Gott sei Dank“.
Da erhob sich der erste Bruder von seinem Totenbett und mit großer Anstrengung zerbrach er eine seiner zwei Schalen in 1000 Stücke.
Von nun an aß er dankbar aus der übrig gebliebenen Schale sein Essen, wie er es erhielt, und wurde wieder gesund.
Liebe Teilnehmer an unserer heutigen Klausurtagung, auch in unserer Zeit wird die Qualität des Lebens von vielen danach beurteilt, ob es süß und angenehm ist, ob es Spaß macht und reich an schönen Erlebnissen. Man will möglichst unbeschwert und sorgenfrei leben, sich ablenken und sich vergnügen.
Unangenehmes, Bitteres und Schweres möchte an am liebsten in eine andere Schale werfen und möglichst schnell entsorgen. Das will man gar nicht an sich heranlassen, und wenn es kommt, dann wird Gott und die Welt angeklagt und dafür verantwortlich gemacht.
Die Geschichte von den zwei Brüdern aber will uns sagen:
Mit dieser Einstellung geht der Mensch am Leben vorbei, ja holt er sich den Tod. Denn im Leben gehören von Natur aus Schweres und Leichtes, Freud und Leid zusammen. Es gibt Wegstrecken und Zeiten, die unsere Kräfte fordern, und andere, wo wir gleichsam über den Lüften schweben. Bitteres und Süßes lässt sich nicht voneinander trennen.
„Was immer mir gegeben wurde, das habe ich einfach angenommen und es hat nicht aufgehört, mich gesund zu erhalten. Gott sei Dank“, sagte der Bruder mit der einen Schale. Er, der Schönes und Schweres im Leben gleichermaßen annimmt, gibt dieses Lebensrezept all denen, die Schweres und Bitteres ausblenden und von sich weisen möchten. Wer nur Spaß und Vergnügen sucht, wer sich nur von Süßem ernähren möchte, wird krank werden und nicht die Kraft haben, das Leben zu meistern.
Was Adolph Kolping damals von der Jugend sagte, gilt für uns alle: „Wer den jungen Menschen gar zu sehr vor jedem rauhen Lüftchen bewahren will, gleichsam über die junge Menschenpflanze eine Glasglocke stülpt, verdirbt sie oft von vornherein, weil sie dem frischen, oft rauhen Luftzuge des Lebens hintennach keinen Widerstand leisten kann“ (RV 1856, S. 247).
Keiner von uns weiß, was ihm in diesem Jahr 2025 in seine Lebensschale gefüllt wird, keiner weiß, ob es ihm mehr Schönes und Leichtes bringen wird oder mehr Schweres und Bitteres. Aber eines sollten wir wissen: Die große Lebenskunst besteht nicht darin, das Bittere von uns zu weisen, sondern Beides – Süßes und Bitteres – in gleichem Maß annehmen zu können. "Nehmen wir das Gute an von Gott, sollen wir dann nicht auch das Böse annehmen?", fragt schon der Ijob im Alten Testament.
Adolph Kolping sagt einmal: „Ohne Leiden und Beschwerden geht’s nun mal im Leben nicht hin; ich möchte für meinen Teil nicht mal wünschen, daß ich ganz davon verschont bliebe, da nichts so geeignet ist, des Menschen Herz höheren Einflüssen offenzuhalten, ihn auf den über und für ihn waltenden Gott hinzuweisen als gerade das Leiden. Wir brauchen zwar nicht gerade das Leiden zu suchen, aber was wir bekommen, das sollen und müssen wir uns christlich zunutze machen! (KS 2, S. 64).
Zehn Jahre früher, im Jahre 1832 schieb der Dichter Eduard Mörike ein Gedicht, in dem er Gott bittet, ihm ein ausgewogenes Maß an Freud und Leid, an Süßem und Bitteren in seine Lebensschale zu füllen : "Wollest mit Freuden und wollest mit Leiden mich nicht überschütten! Doch in der Mitten liegt holdes Bescheiden“.
Fünf Jahre vor seinem Tod stellte er diesen Zeilen aus seiner Lebenserfahrung dann noch eine neue Strophe voran, sein Neujahrsgebet, das 1873 genauso sinnvoll war, wie es 2025 ist: „Herr! Schicke was du willst, Ein Liebes oder Leides; Ich bin vergnügt, dass beides aus deinen Händen quillt“.
An uns selbst liegt es, jedes Jahr von neuem die Schale so anzunehmen, wie Gott sie für uns bereitet hat, und uns nicht noch eine zweite zulegen, um nach unserem Geschmack daraus auszuwählen.
Zu Recht sagt Adolph Kolping: „Wenn das neue Jahr kein glückseliges wird, dann kann unser Herrgott nichts dafür, dann dürfen wir das uns nur selbst auf die Rechnung schreiben. Wenn wir unser Glück, unsere Zufriedenheit nur in den Dingen dieser Welt suchen, es machen wie die anderen Narren auch, dann klagen wir nur ja nicht, wenn wir uns hintennach betrogen finden; wollen wir es aber in Gott suchen, nun, dann müssen wir auch frisch und herzhaft zugreifen, dann müssen wir auch mit unserem Christentum Ernst, tatkräftigen Ernst machen, noch viel umfassender und durchgreifender, als es, wenigstens im allgemeinen, bisher geschehen ist. Erst wenn das geschieht, dann wird auch das neue Jahr glückseliger, als das alte gewesen, weil dann wir selbst besser und glückseliger werden“ (KS 4, S. 305).
Msgr. Dr. Stefan Killermann
Diözesanpräses
Gebet für Europa

„Vater der Menschheit, Herr der Geschichte, sieh auf diesen Kontinent, dem du die Philosophen, die Gesetzgeber und die Weisen gesandt hast, Vorläufer des Glaubens an deinen Sohn, der gestorben und wieder auferstanden ist. Sieh auf diese Völker, denen das Evangelium verkündet wurde, durch Petrus und Paulus, durch die Propheten, durch die Mönche und die Heiligen. Sieh auf diese Regionen, getränkt mit dem Blut der Märtyrer, berührt durch die Stimme der Reformatoren. Sieh auf diese Völker, durch vielerlei Bande miteinander verbunden, und getrennt durch den Hass und den Krieg. Gib uns, dass wir uns einsetzen für ein Europa des Geistes, das nicht nur auf wirtschaftlichen Verträgen gegründet ist, sondern auch auf menschlichen und ewigen Werten: Ein Europa, fähig zur Versöhnung, zwischen Völkern und Kirchen, bereit, um den Fremden aufzunehmen, respektvoll gegenüber jedweder Würde. Gib uns, dass wir voll Vertrauen unsere Aufgabe annehmen, jenes Bündnis zwischen den Völkern zu unterstützen und zu fördern, durch das allen Kontinenten zuteilwerden soll die Gerechtigkeit und das Brot, die Freiheit und der Frieden. AMEN.“
Carlo Maria Kardinal Martini SJ (+)
Friedensgebet
A: „…ohne Gott kein Friede und kein Glück!“
V: Guter Gott, gewaltlos aber nicht ohnmächtig suchen wir nach Frieden. Du selbst lädst uns ein, den Frieden anzunehmen, den Du uns angeboten hast. Lass uns zu Menschen werden, die Vorurteile aus dem Weg räumen, die bereit sind, die Fehler einzugestehen und Andersdenkende verstehen zu wollen.
A: „…ohne Gott kein Friede und kein Glück!“
V: Der Unfriede in dieser Welt beginnt in uns, in unserem Herzen, in unserem Denken. Hilf uns, das Geschenk des Friedens zu entdecken. Stärke auch durch uns die Menschen, die sich für den Frieden einsetzen. Gib uns Kraft und Geduld für den Umgang mit Unrecht. Schenke uns Deinen Geist, den Geist der Weite und der Liebe, den Geist, der uns zum Frieden anleitet.
A: „…ohne Gott kein Friede und kein Glück!“ V: Dein Friede verlangt von uns mehr, als dass wir nichts gegeneinander haben. Er ist nicht tatenloses Zusehen wie sich Unrecht vermehrt. Du willst nicht, dass wir uns vor dem Bösen ducken, Friedfertigkeit mit Gleichgültigkeit verwechseln. Friede wird, wenn wir uns einsetzen für das Gute, wenn wir deine Gegenwart in dieser Welt leben, wenn wir handeln aus deiner Liebe.
A: „…ohne Gott kein Friede und kein Glück!“ Amen.
V: Bleibe mit uns auf dem Weg des Friedens.
A: Amen.
Gebet: Weihbischof Josef Holtkotte (ehem. Bundespräses), Kolpingwerk Deutschland, Köln, 2018 Zitat: „…ohne Gott kein Friede und kein Glück!“ nach Adolph Kolping
Gebet für EINE/SEINE Welt
Glaubende Menschen sollten überlegen, wie sie eine beständige
Bewegung für Entwicklung und Menschenrechte in der
Welt bilden können. Dies ist gewiss dringlicher als manches
andere. Hier geht es um Fragen der Gerechtigkeit, der Ethik
und der Freiheit. Dazu brauchen wir unsere eigenen Wurzeln
im Glauben, Kommunikation in unserer Gesellschaft und die
Bereitschaft, den Reichtum der Verschiedenheit zu entdecken.
Mein Gebet für EINE / SEINE Welt ist ein Gebet für das Miteinander
unterschiedlicher Menschen und Religionen in unserer
Gesellschaft, und damit ein Gebet für den Frieden.
Es stärkt die eigene (Glaubens-)Überzeugung und nimmt jeden
Menschen in Schutz gegen Machtbesessenheit, Fundamentalismus,
Fanatismus, Terrorismus und Rassismus.
Das Gebet drückt das Suchen und Finden des EINEN Gottes
und unsere gemeinsame Verantwortung für SEINE Welt aus.
Der Glaube an Gottes Gerechtigkeit, an seine Güte und Barmherzigkeit
verbindet glaubende Menschen. Dieses Gebet möge
das friedliche Miteinander aller Menschen stärken.
Gebet und Gedanken: Bundespräses Josef Holtkotte, Kolpingwerk Deutschland,
Köln, 2017